«Kaizen – Der Schlüssel zum Erfolg im Wettbewerb», von Masaaki Imai, (Buchbesprechung)

Kaizen als Dünger für agile Projekte auf der grünen Wiese

Eine Buchbesprechung von «Kaizen: Der Schlüssel zum Erfolg im Wettbewerb», von Masaaki Imai, 2001; erstmals veröffentlicht vom Kaizen Institute 1986.

Nur von historischem Interesse?

Das Buch wurde erstmals 1986 veröffentlicht und scheint daher etwas veraltet zu sein.

Das ist es auch, vor allem wenn man bedenkt, dass es vom industriellen Hintergrund von Toyotas TQM beeinflusst ist und sich mit konkreten Arbeitsplätzen in Werkstätten und mit Produktionsmaschinen in einer Fabrik beschäftigt.

Auf den ersten Blick könnte man sogar meinen, dass es auf unsere heute hochdigitalisierten Arbeitswelten überhaupt nicht mehr anwendbar ist. Insbesondere könnte man annehmen, dass es durch agile Ansätze, die ebenfalls inkrementelle Planung, kontinuierliche Verbesserung, Kundenorientierung, schnelle Fehlerbehebung in einem zeitgemäßeren digitalen Kontext vorsehen, schlichtweg obsolet ist.

Doch das ist nicht der Fall.

Kaizen zur Überwindung von Schwächen agiler Ansätze

Im Gegensatz zu agilen Methoden fällt besonders auf, dass diesen die ausgefeilten Methoden zur Fortschrittskontrolle, zum Ressourcenmanagement und zur Qualitätsmessung weitgehend fehlen.

Typische agile Werkzeuge wie Backlog, Story Points, Burndown-Chart sind zwar ganz nett, aber zumindest Konzepte wie Planungspoker und Velocity sind im Vergleich zu den in diesem Buch allein im Anhang vorgestellten Lean-basierten Werkzeugen seltsam oberflächlich und lassen eine wirksame Ergebnisorientierung vermissen, insbesondere im Hinblick auf die Ergebnisqualität als Hauptziel von Kaizen.

Weiterhin fällt auf, dass Konzepte wie Scrum zwar Retrospektiven vorsehen, um die eigene Arbeitsweise zu reflektieren und die Prozesse kontinuierlich zu verbessern. Aber auch diese fallen im Vergleich zu den Ideen eines umfassenden Lean Managements und einer integrativen und aktiven Problemlösungskultur wie Kaizen auffällig kurz aus: Dort stehen Ausbildung, Qualität und Kundenorientierung gemeinsam als Unternehmenskultur absolut zentral für das gesamte Unternehmen.

Kaizen lässt sich nicht oberflächlich in herkömmliche, hierarchisch verkrustete Unternehmen einfügen, sondern muss, wie viele agile Ansätze, die nur auf einzelne Schlagworte setzen, erst von innen heraus gemeinsam entfaltet werden.

Das Buch ist daher mit seinen Konzepten auf der Höhe der Zeit, allein ein Ursache-Wirkungs-Diagramm oder eine Root-Cause-Analyse sind z.B. hervorragende Werkzeuge, um festgefahrene agile Projekte wieder auf Kurs zu bringen.

Kaizen als Dünger für grüne agile Wiesen

Mit der Gegenüberstellung von Innovation und Kaizen (in Tabelle 2.1) wird aber auch deutlich, dass dahinter eigentlich zwei unterschiedliche Paradigmen stehen: Die Idee der kollaborativen, spielerisch-unspektakulären kontinuierlichen Verbesserung von etwas Bestehendem und die der gewagten, disruptiven Neugestaltung auf der Basis genialer individueller Ideen.

Letzterer Ansatz wird durch die Annahme begünstigt, dass Softwareprojekte im Gegensatz zu Industrie- oder Bauprojekten immer “agil”, d.h. ohne Vorbedingungen, aufgesetzt werden können. Für diese Annahme spricht viel, aber nur so lange, bis das agile Startup zu einer bestimmten Codebasis geführt hat oder das Minimum Viable Product geschaffen wurde.

Spätestens in diesem Moment muss man sich auch mit historischen Abhängigkeiten und Zwängen auseinandersetzen: Je weiter die Entwicklung fortschreitet, desto mehr muss man mit Abhängigkeiten und Restriktionen rechnen, die einen Kaizen-Ansatz vorteilhaft oder sogar unvermeidlich erscheinen lassen, zumindest wenn man weiterhin die gewünschten wertschöpfenden Erfolgsmomente wie zu Beginn wünscht.

So könnte es sein, dass sich Kaizen besser für etwas fortgeschrittenere agile Projekte eignet, die ihr erstes Minimum Viable Product “überlebt” haben und solide Routinen, höhere Robustheit und Sicherheit und nachhaltige Kundenbindung anstreben.

Der von Kaizen und Lean vermittelte Qualitätsaspekt, der mehr auf Wertschöpfung und Nachhaltigkeit und weniger auf Geschwindigkeit als auf Feature-Realisierungsrekorde abzielt, würde dem agilen Ansatz jedoch in vielen Fällen uneingeschränkt und fortlaufend gut tun. Die Betonung einer positiven Fehlerkultur und die Wertschätzung einer gemeinsamen stetigen Zielorientierung auf jeden Fall.

Wenn Kaizen Ihr Interesse geweckt hat, ist Masaaki Imai auf jeden Fall der richtige Autor, der weitere und auch neuere Publikationen zum Thema veröffentlicht hat.