Wachsen wie Amazon & abcashen wie Zoom

Das Wachstum von Amazon kommt nicht von ungefähr.

Warum Amazon in den Himmel wächst und wie Sie mit Cloud-Computing abstauben können, wenn es drauf ankommt.

Software-Updates einspielen?

Vor nicht allzulanger Zeit erhielten die Mitarbeiter*innen vieler Unternehmen gelegentlich (vielleicht alle paar Wochen) eine Nachricht mit dem Hinweis, dass die IT am Wochenende in der Nacht für einige Stunden nicht zur Verfügung stehen wird, da neue Software eingespielt werden muss.

Damals konnte man sich dazu tatsächlich einen einzelnen Systemadministrator vorstellen, der Gefahr läuft, sich bei etwaigen unerwarteten Zwischenfällen die Nacht um die Ohren schlagen zu müssen, um im lauten und stickigen Serverraum händisch Datenträger einzulegen und den physischen Server zu «füttern».

Demgegenüber hat der Chief Technology Officer (CTO) von Amazon, Werner Vogel, schon 2014 von sekündlichen Bereitstellungen (Deployments) von Software-Updates gesprochen.

Amazon kann bis zu 86.400 Software-Updates pro Tag oder noch mehr im laufenden Betrieb installieren, ohne jemals einen Service abschalten zu müssen.

Warum ist Amazon so gewachsen?

Dass Amazon während der letzten Jahre so massiv gewachsen ist, hat sicher mehrere Gründe. Viele sind geschäftlich bedingt:

  • Wie zum Beispiel die Tatsache, dass Amazon seinen Aktionären nie Gewinne ausgeschüttet, sondern diese immer erneut in sein eigenes Wachstum investiert hat. Was in Kontrast zu üblichen Shareholder-Value Konzepten steht.
  • Oder dass Amazon für seine Frugalität bekannt ist, also die Kargheit bei der Büroausstattung und den Bürogebäuden – und bei den Mitarbeitergehältern (natürlich).
  • Oder dass bei Amazon Präsentationsfolien (Microsoft Powerpoint!) verboten sind und die Mitarbeiter statt dessen vor Besprechungen «narrative» Textdokumente schreiben müssen, die von den anderen Besprechungsteilnehmern alle vor der Sitzung gelesen sein müssen. Das kostet auf den ersten Blick Zeit und erinnert eher an einen Aufsatzwettbewerb an einer Mittelschule als an ein knallhartes amerikanisches Unternehmen unter Zeitdruck. Dadurch sind die Besprechungen aber effizient und jede*r ist bei der Sache.
  • Oder die Tatsache, dass Jeff Bezos, der reichste Mensch auf diesem Planeten, seinen Kindern in der Früh gerne ohne Eile Pfannkuchen macht, gerne (erst) um 10h erste wichtige Meetings hat, nach 17h keine wichtige Entscheidung mehr treffen möchte und dafür sorgt, dass er genügend Schlaf bekommt.
  • Und schliesslich die konsequente Stützung der ureigenen Kernkompetenz Logistik mit IT-Fähigkeiten, die auch vor der Entwicklung und Erschliessung neuer Konzepte und Ansätze nicht zurückschreckt.
  • Und die zu einer firmenübergreifenden sauberen Abbildung von einzelnen Servicebereichen durch die IT geführt hat und (!) die strikte Kopplung dieser Bereiche durch Schnittstellen (Application Programming Interfaces – APIs). So konnte auch die Übernahme des Biolebensmittel-Grosshändlers Whole Food problemlos gestemmt und binnen kurzer Zeit IT-technisch implementiert werden.

Konsequentes strategisches IT-Management

Vielleicht nicht hinter allen, sicher aber hinter einigen geschäftlichen Erfolgskriterien steht eine durchdachte IT-Architektur und strategische IT-Prinzipien. Ein, wenn nicht _der, handfeste technische Grund und die eigentliche Grundlage dafür, dass Amazon so schnell wachsen konnte, ist freilich die Tatsache, dass Amazon technisch die Fähigkeit hat, die IT bei Bedarf tatsächlich beliebig schnell zu erweitern und anzupassen.

Ambidextrisches und agiles IT-Management

Dies und die oben erwähnte agile Bereitstellung und Anpassung im Sekundentakt ist nur möglich, weil Betrieb und Software-Entwicklung nicht voneinander getrennt sind, sondern organisatorisch eng verzahnt sind beziehungsweise fast nahtlos ineinander übergehen. Amazon hat dieses Konzept, das auch als «DevOps» bezeichnet wird (als Verknüpfung von «Development» und «Operation») gewissermassen erfunden und dieser Form der ambidextrischen DevOps-IT und -Kultur mit den Weg geebnet.

Ambidextrisch bedeutet wörtlich «Zweihändigkeit». Gemeint ist damit die Verbindung von Stabilität und Flexibilität, die auch aus asiatischen Kampfsportarten bekannt ist: Robust – mit dem Boden verwurztelt – da stehen und dennoch blitzschnell agieren und sich bewegen zu können, fallen dort als ideales Ziel des Sports regelmässig zusammen. Auch im echten Kampf spielt «Manövrierfähigkeit» eine Rolle, wie die von John Boyd entwickelte Energy-maneuverability-Theorie beweist.

Solche Tugenden hat Amazon mit seinen Amazon Web Services perfektioniert.

Agile ist nicht zwingend lean oder DevOps

Die agile Softwareentwicklung als allgemeiner Trend war dafür sicher auch hilfreich: Wenn die Software schon agil entwickelt wird, kann sie auch agiler bereit gestellt werden. Ausreichend ist das aber ganz und gar nicht: Agile «Softwareentwicklung» ist eben … Softwareentwicklung und sagt für sich noch nichts darüber aus, wie denn die Software bereit gestellt wird. Man kann agil Software entwickeln und sie nur gelegentlich auf den Server spielen.

Agile Softwareentwicklung in Form von Scrum wird zudem in Wochen- oder gar Monatsintervallen getaktet (Timeboxing). Erst nach Ablauf dieser Zeiträume wird das Ergebnis «released». Vor dem Ablauf dieser Intervalle ist – in direktem Unterschied zu DevOps - eine Bereitstellung schlichtweg gar nicht vorgesehen.

Was AWS leisten kann am Beispiel von Zoom

Zoom hat durch die Corona-Pandemie einen selbst von Analysen in dieser Höhe nicht erwarteten Umsatzzuwachs erlebt: «Der grösste Schlag den wir im Software-Bereich in den letzten 20 Jahren miterleben konnten.» («The largest beat we have witnessed in covering software for over 20 years.»), so wird ein Analyst von J. P. Morgan zitiert.

Statt erwarteten circa 200 Millionen US-Dollar hatte Zoom 328 Millionen US-Dollar im Quartal eingenommen, und eine weitere Steigerung auf 500 Millionen US-Dollar wird erst noch erwartet. Als ein wesentlicher Erfolgsfaktor wird die hohe Zahl an Nutzern der freien Zoom-Lizenz gesehen, die pro Session nur bis zu 40 Minuten läuft, und die zur durchschlagenden Verbreitung und Bekanntheit in der Krise wesentlich beigetragen hat.

Die einfache Nutzung und die hohe Kommunikationsqualität von Zoom ist sicher ein weiterer Erfolgsfaktor. Die eigentlich spannende Frage ist aber die, wie es Zoom gelungen ist, den massiv erhöhten Benutzerandrang und die vielen freien User in der Pandemie ohne äussere Anzeigen von Schwächen oder Serviceausfällen mit ihrem Dienst zu versorgen.

Wie CEO Eric Yuan im quartalsmässigen Börsenbriefing bekannt gab, gab es eine Zunahme der Meetingminuten um das zwanzigfache (!): “We had an approximately twentyfold increase in our metric of annualized meeting minutes run rate, which jumped from 100 billion at the end of January 2020 to over 2 trillion meeting minutes, based on April 2020’s run rate.”

Wie war es Zoom möglich, während der Pandemie seine Kapazität kurzfristig nahezu beliebig zu vergrössern und ohne Ausfälle diesen geschäftliche Erfolg voll auszuwerten?

Die Erklärung dafür ist – Sie ahnen es sicher – Amazon’s AWS und die sogenannte Elastizität von Cloud-Computing.

Ohne Rechenzentren zu bauen und Server zu installieren konnte Zoom rasch bei Amazon die weiteren Ressourcen zukaufen und diesem Ansturm ohne grössere Probleme standhalten – und diese Ressourcen danach jederzeit auch wieder loszuwerden, ohne an Fixkosten im danach erwartbar wieder reduzierten (durch berflüssige Serverfarmen) gebunden zu sein. Das Zauberwort dafür bedeutet: die Elastitizität der Cloud. Damit ist gemeint, dass die benötigte Leistung der Cloud gewissermassen virtuell skalierbar ist.

Das Zauberwort dafür bedeutet: die Elastitizität der Cloud.

Wie Ben Thompson zutreffend schreibt (Subskription) wäre das noch vor wenigen Jahren in dieser extremen Form nicht möglich gewesen. Zoom konnte wegen der gleichbleibend marginalen Kosten durch weitere Anwender dabei sogar die Nachfrage durch grosszügige Gratisabonnements weiter anfachen (!). Und daneben hat Amazon in dieser Situation auch anderen Kunden unterstützen können – und den eigenen Betrieb gewährleisten (!), ohne Ausfälle Unterbrechungen vermelden zu müssen.

Die Elastizität der Cloud haben natürlich auch die «Marktbegleiter» von Amazon «drauf»allen voran Microsoft mit Teams und Office und Google, die trotz einer gleichfalls höheren Beanspruchung in der Pandemie-Zeit ebenso keinerlei Anzeichen von Schwäche zeigten.

DevOps ist somit mehr als ein Buzzword, sondern die Voraussetzung, um mit der IT krisenfest zu sein und erfolgreich zu wachsen.

Zoom hat damit diesem Ansturm nicht nur Stand gehalten, sondern inmitten dieser Situation auch noch auf die aufgetretenen Sicherheitsbedenken akkurat und rasch reagiert und umgehend ein 90-Tage Programm zum fokussierten Verbessern der Sicherheitsaspekte gestartet – das ist echtes DevOps!

Referenzen